25.08.2017

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"Niemand ist bei der Blutspende fehl am Platz" - Interview mit Marius Grein, Regisseur von "Blutsbrüder"

Am 14. Weltblutspendetag feierte sein Film auf einer Galaveranstaltung in Berlin Weltpremiere: Marius Grein, der Regisseur hinter dem Werbespot "Blutsbrüder - Echte Kerle spenden mehr als nur Applaus" freut sich, dass sein Film so viel positive Resonanz erfährt. Mit über 120.000 Aufrufen auf Facebook und YouTube hat es der junge Filmstudent geschafft, mit Humor auf die immer noch anhaltende Dringlichkeit von Blutspenden hinzuweisen - dass er sich zu dem Thema einige Gedanken gemacht hat, beweist er in unserem Interview.

BSD: Dein Film "Blutsbrüder" war die Abschlussarbeit für dein Bachelorstudium. Hast du die Prüfung mit dem Film bestanden - und wie zufrieden bist du selbst mit dem Ergebnis?

MG: Das stimmt, mit „Blutsbrüder“ habe ich mein Studium abgeschlossen, wobei hier nicht nur der Film eine Rolle spielte, schließlich war meine Thesis als „Kampagne zur Steigerung der Blutspendebereitschaft“ betitelt. Aber natürlich ist der Film das anschaulichste Element dessen und spielte auch bei der Bewertung am Ende eine große Rolle – die fiel übrigens sehr gut aus. Naturgemäß ist man bei eigenen Arbeiten immer etwas kritischer und das ist auch gut so. Mit dem Ergebnis bin ich trotzdem sehr zufrieden, obwohl oder gerade weil es doch einige Unterschiede zur ursprünglichen Planung gibt. In den vielen Korrekturschleifen ist der Film vor allem kürzer geworden.

BSD: Der Film hat auf Facebook und YouTube in der ersten Woche bereits 120.000 Aufrufe erzielt. Wie fühlt sich das an, wenn die eigene Abschlussarbeit von so vielen Menschen begutachtet wird?

MG: Einen Film macht ja niemand für die Schublade, sondern damit er gesehen wird. Vor diesem Hintergrund freue ich mich wirklich, dass „Blutsbrüder“ so viel Anklang findet. Bei Facebook kommt dann hinzu, dass man auch Einblick erhält, wer den Film teilt und was er dazu schreibt. Da sind zum einen diejenigen, die ihn aus Nähe zum DRK oder zur Blutspende verbreiten, was natürlich schön ist, doch viele finden den Spot auch einfach lustig und möchten ihn ganz ohne Hintergedanken mit ihren Freunden teilen. Das wiederum ist für mich ein noch größeres Kompliment.

BSD: Als 24-jähriger Student liegst du deutlich unter dem Altersdurchschnitt der klassischen Blutspender. Wie bist du überhaupt auf das Thema Blutspende gekommen? Hast du einen persönlichen Bezug?

MG: Ich muss gestehen, dass ich selbst erst im Anschluss an die Dreharbeiten das erste Mal Blut gespendet habe – ich bin also vollkommen unbedarft an das Thema herangetreten und konnte mich dementsprechend gut in die Zielgruppe hineinversetzen, schließlich zählte ich mich selbst dazu. Ich kann mich erinnern, dass vor ein paar Jahren jemand vom DRK-Ortsverband meines Heimatortes mit mir über einen Imagefilm für deren Blutspendearbeit sprechen wollte. Auch wenn es dazu nie kam, hat mich das schließlich auf die Idee gebracht, als ich nach einem Thema für mein Abschlussprojekt suchte. Das letzte große Projekt an der Hochschule soll natürlich ganz besonders werden, und so wollte ich etwas schaffen, was auch über seinen gestalterischen Wert hinaus Relevanz behält. Auf diese Weise kam ich dazu, weiter zu recherchieren und fand Gefallen an der Sache, als mir der Handlungsbedarf klar wurde. Einen persönlichen Bezug kann ich seitdem auch herleiten, sei es durch mein Hobby Motorrad zu fahren oder Krebserkrankungen in meinem familiären Umfeld – gerade letzteres habe ich erst im Zuge meiner Recherchen mit der Blutspende in Verbindung gebracht.

BSD: Im Film macht sich ein Trupp "echter Kerle" samt Harley und Biker-Kutte auf den Weg zur Blutspende. Dank der ermutigenden Aufforderung des Anführers, darf keiner von den Bikern kneifen, spitze Nadel hin oder her. Du selbst hast gesagt, dass du erst nach dem Dreh zum ersten Mal Blut spenden warst. Wie viel von dir selbst steckt in dem ängstlichen Nachwuchs-Biker aus dem Werbespot, der am Ende zum "echten Kerl" wird?

MG: Das ist eine gute Frage – eine, die ich mir so noch nicht gestellt habe. Tatsächlich habe ich ja doch einen Anstoß gebraucht, um zur Blutspende zu gehen, war dann aber auch sehr stolz darauf. Das ist genau die Problematik, die auch in der Botschaft „Echte Kerle spenden nicht nur Applaus“ deutlich werden soll: Die meisten Leute loben die Blutspende als etwas Gutes, woran sich jeder beteiligen sollte. Doch wenn es um den eigenen Beitrag geht, werden sie zögerlich. Es fällt eben immer leichter, etwas zu loben, als selbst tätig zu werden – da braucht man ab und an einen kleinen Schubs. Meistens haben die Menschen auch gar keine richtige Angst vor dem Blutspenden, sondern müssen nur ihren inneren Schweinehund überwinden. Trotzdem: Beim Ansetzen der Nadel wollte ich dann wiederum auch nicht so genau hinsehen.

BSD: Dein Spot soll vor allem auch jüngere Menschen dazu bewegen, zur Blutspende zu gehen. Was glaubst du ist der Grund, dass die Blutspender immer älter werden und so wenig Nachwuchs dazu kommt?

MG: Die alternde Stammspenderschaft ist klar in der gesamtgesellschaftlichen demographischen Entwicklung begründet – ausbleibender Nachwuchs ist schließlich nicht nur bei der Blutspende ein Problem. Damit geht allerdings auch einher, dass in Deutschland immer mehr Kinder als Einzelkinder aufwachsen. An dieser Stelle überschreite ich meine fachliche Kompetenz und lasse mich zu Spekulationen verleiten, bin aber der Meinung, dass dieser Umstand auch zu mehr Ich-Bezogenheit führt, der Trend zum Individualismus ist schließlich schon länger zu beobachten. 
Gleichzeitig denke ich, dass gerade Jüngere ein immenses Vertrauen in die moderne Medizin und unsere technischen Möglichkeiten haben. Für viele ist es selbstverständlich, dass sich alles behandeln, synthetisieren und automatisieren lässt, sodass es schwer vorstellbar ist, dass die Technik in manchen Fällen gewissermaßen an ihre Grenzen stößt. Blut lässt sich nun mal nicht künstlich herstellen.

BSD: Was kann ein Film wie "Blutsbrüder" konkret dazu beitragen, um Menschen zum Blutspenden zu motivieren? Gibt es jemanden in deiner Familie oder deinem Freundes- und Bekanntenkreis, der, nachdem du ihm oder ihr den Film gezeigt hast, gesagt hat: "Jetzt geh ich Blutspenden!"?

MG: Sachlich betrachtet liefert der Film keine Fakten oder Argumente, die Menschen vom Blutspenden überzeugen könnten. Das muss er aber auch nicht, schließlich genießt die Blutspende in unserer Gesellschaft nach wie vor eine große Akzeptanz, niemand spricht sich etwa gezielt dagegen aus. Andererseits ist das Thema vielleicht schon zu alltäglich geworden – jeder weiß um dessen Existenz, beachtet es aber nicht weiter. Es geht daher vor allem darum, aufzufallen und Präsenz zu schaffen. Der Film versucht sich an einer humorvollen aber doch sinnhaften Pointe, um die Blutspende mit einem positiven und attraktiveren Gefühl zu belegen. Er will die Sache etwas lockerer angehen als bisher und fällt allein deshalb schon auf, ich glaube nämlich, dass allzu moralische Appelle die Leute eher abschrecken. Ich habe es aus diesem Grund auch vermieden, den Moralapostel raushängen zu lassen und mein Umfeld unter Druck zu setzen – nachhaltig ist nur Überzeugung, nicht Überredung.

BSD: Mecky, die alte Dame am Ende des Clips, ist ein bisschen der heimliche Star des Films. Meinst du, ältere Menschen sind allgemein weniger zimperlich, wenn es darum geht, sich sozial zu engagieren?

MG: Hier möchte zuerst einmal betonen, dass neben dem Filmteam auch sämtliche Darsteller unentgeltlich am Film mitgewirkt haben – ein Engagement, für das man als Filmemacher sehr dankbar ist, schließlich wäre der Dreh sonst kaum realisierbar gewesen. Dabei hat sich die Schauspieler-Riege über viele Altersbereiche erstreckt. Mecky sticht natürlich in mehrfacher Hinsicht hervor und beantwortete meine ursprüngliche Anfrage auch prompt mit einer Zusage, zu der sie mir ein Bild ihres alten Blutspendeausweises beifügte – eine Portion Stolz schwang da schon mit. Aber auch viele andere Mitwirkende waren schon vor dem Dreh aktive Blutspender, die Tendenz Ihrer Frage bestätigt sich also im Team um „Blutsbrüder“ nicht. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass ältere Menschen schon häufiger Notlagen an sich oder anderen erlebt haben und deshalb ein besseres Verständnis für den Stellenwert von sozialem Engagement haben, das schlicht in ihrer Lebenserfahrung begründet ist.

BSD: Letzte Frage: Wirst du dich auch zukünftig noch mit dem Thema Blutspende auseinandersetzen? Falls ja, hast du schon Ideen, mit denen du uns neugierig machen willst?

MG: Dass ich privat weiterhin Blut spenden werde, steht außer Frage, schließlich habe ich mich nun soweit mit dem Thema auseinandergesetzt, dass mir die Dringlichkeit sehr wohl bewusst ist. Doch auch was die Medienarbeit angeht, habe ich Ideen – dafür müssen wir uns gar nicht weit von „Blutsbrüder“ entfernen. Stereotypen, die man auf den ersten Blick nicht direkt mit dem Thema assoziiert, in einer überraschenden und gerne humorvollen Weise zur Blutspende führen – das klappt wie hier mit harten Bikern, lässt sich aber auch auf andere Subkulturen und Szenarien adaptieren, die für andere Zielgruppen gegebenenfalls ein höheres Identifikationspotential bieten. Das trägt außerdem eine starke Botschaft in sich: Niemand ist bei der Blutspende fehl am Platz.


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